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Discover Stefan Nagel's Profile

 

 

Stefan Nagel ist seit 2021 Produktionsleiter von Tanz im August. Drei Wochen vor Festivalbeginn treffe ich mich mit ihm für ein Gespräch über das Festival, die Tätigkeit als Produktionsleiter und die Zukunft der Berliner Kulturszene.
 
Maria: Du kommst eigentlich aus dem Sprechtheater. Wie verändert das Medium Tanz deine Arbeit als Produktionsleiter?
 
Stefan: Erstmal ändert sich gar nicht so viel. Gerade bei einem Festival sind ganz viele Absprachen die Gleichen. Aber es gibt ein paar Spezifika, die man bedenken muss. Am besten hat man zum Beispiel den Kontakt für eine Ostheopathiebehandlung zur Hand. Die körperlichen Bedürfnisse sind viel wichtiger als im Schauspiel, weil die Belastung natürlich anders ist. Und ich habe auch gemerkt, dass der Zusammenhalt im Tanz einfach besonders toll ist. Es geht nicht so stark darum, die Ellenbogen auszufahren. Ich habe das Gefühl, das schlägt sich auch darin nieder, wie die Produktionsleiter*innen kommunizieren oder die Gruppen untereinander agieren.
 
M: Und was reizt dich an der Arbeit in einem Festival?
 
S: Es ist einfach ganz toll, so viele Begegnungen zu stiften und gemeinsam mit einem Team einen Ort zu schaffen, der dieser Kunstform einen Fokus gibt. Ich glaube, Berlin hat ein großes Publikum für Tanz, das über das Jahr ein bisschen ausgehungert ist. Natürlich finden in der Stadt, ob im HAU Hebbel am Ufer, in den Sophiensælen, den Uferstudios etc., ganz viele tolle und wichtige Sachen statt. Was fehlt, ist jedoch dieser Fokus auf große Bühnen; alle zusammen rennen wir von einem Stück zum nächsten. Ich habe schon gemerkt, dass das was ausmacht und ich mag es wirklich gerne, diesen speziellen Vibe zu schaffen, um unterschiedliche Leute miteinander verbinden zu können. (…) Und im Allgemeinen bin ich sehr froh, dass ich mich um die Zahlen, die Verträge, die Logistik und das Wohlbefinden der Menschen kümmern kann. Ich hatte früher auch selber Regieambitionen. Aber ich habe gemerkt, dass ich immer viel besser darin war, Leute darin zu unterstützen, ihre Kunst zu machen und dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Wie kann ich dir zumindest einen Teil der Krise abnehmen, damit du dich auf die Kunst konzentrieren kannst? Wie kann man Leute dazu befähigen, die für sie bestmögliche Kunst zu präsentieren?
 
M: Ich habe ein Bild von „Raum schaffen und Aufräumen” im Kopf.
 
S: Das ist, glaube ich, sehr gut. Dazu kommt noch, zu überblicken, was überhaupt möglich ist. Gerade im Moment sind wir in schwierigen Zeiten. Und ja, wir sind noch auf der Insel der Glückseligen, mit dem Hauptstadtkulturfonds haben wir erstmal eine gesicherte Förderung. Aber wir merken trotzdem, dass die Kosten, zum Beispiel für Hotels, durch die Decke gehen. Auch auf die Kooperationen mit den Spielorten (Sophiensæle, Radialsystem, Haus der Berliner Festspiele, Alte Münze) hat das einen Einfluss. Wir haben sehr gute Konditionen, aber auch bei denen steigt der Druck. Das wird in Zukunft für das Festival eine große Herausforderung. Man muss den Realitäten ins Auge sehen. Gleichzeitig wollen wir die Preise nicht unglaublich erhöhen, da es auch um Zugänglichkeit zu Kunst und Kultur geht. Bei diesem Austarieren und dem finanziellen Druck kommt man dieses Jahr ziemlich ins Schwitzen. Also Raum schaffen, unter guten Bedingungen, mit viel Druck, die Bedingungen für alle Beteiligten gut zu halten. (…) Zusätzlich Raum schaffen für Begegnungsmöglichkeiten. Dieses Jahr haben wir tolle Workshops. Wir arbeiten zum Beispiel für einen Workshop mit Berlin Mondiale zusammen. Mit Making a Difference kooperieren wir für zwei Workshops zum Thema Neurodivergenz. Wir versuchen also auch, dem Publikum gewisse Dinge bewusst zu machen und Organisationen zu unterstützen, deren Arbeit prekär geworden ist. Da geht es auch viel darum, wie wir uns in die Stadt hinein vernetzen. Natürlich ist es für uns wichtig, große Produktionen, die sonst in der Spielzeit nicht stattfinden können, einzuladen. Aber gleichzeitig haben wir auch ein Commitment zur Berliner Szene und stellen uns die Frage: Wie passen wir in dieses ganze Ökosystem hier rein?
 
M: Hast du einen Wunsch für die Berliner Tanz- und Kulturszene?
 
S: Ich wünsche mir, dass die Solidarität, die durch #BerlinIstKultur entstanden ist, auch dann hält, wenn es noch härter wird und auch weiterhin hält, wenn es wieder besser ist. Und ich glaube wirklich, dass es irgendwann wieder besser werden muss. Denn die Stadt wird merken, dass ohne uns nicht mehr viel da ist. (…) Wie sind wirtschaftliche Systeme aufgestellt? Die Modelle sind ja nicht unbedingt verlässlich. Beim IETM (International network for contemporary performing arts) hat mich ein Beitrag von Emma Holten maßgeblich beeindruckt. Sie hat über den Wert von Care-Arbeit gesprochen und wie er nicht im Bruttosozialprodukt erfasst wird. Es wird nicht quantifiziert, ob es dir nach einer Vorstellung besser geht. Nur der Preis, den du tatsächlich gezahlt hast, fließt ins Bruttosozialprodukt ein. Sie sagte zum Beispiel auch: „Wenn ich zuhause mein Kind stille, dann zählt das nicht. Wenn ich dabei jedoch Netflix schaue, dann hat es einen Wert, weil ich zumindest dabei konsumiere.“ Das fand ich sehr klug. Ich denke jetzt viel darüber nach, wie wir die Narrative umdrehen können. Es ist schon einfach wirklich toll, wenn man sieht, dass Leute nach der Vorstellung jubeln oder mit einem Strahlen rausgehen und sagen, sie haben kurz die Sorgen dieser krassen Welt vergessen oder sich inhaltlich mit etwas auseinandergesetzt, was sie bewegt.

 

Published in July 2025. Text by Maria Ladopoulos.